Hoffnung durch Begegnung
Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark, über das Gefühl zwischen Ohnmacht und der Hoffnung und Freude durch die Begegnungen mit engagierten Menschen in der Erwachsenenbildung.
Im Sommernewsletter haben wir uns und Ihnen gewünscht, dass dieser Sommer auch zum Durchatmen, zu ein bisschen Distanz und Ruhe, zum Auftanken genutzt werden kann.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich hatte das Gefühl der Ohnmacht noch nie so stark erlebt wie in der letzten Zeit. Die tägliche Konfrontation mit Nachrichten zu weltweiten Bränden und Naturkatastrophen, stetig zunehmendem Artensterben und dem Verlust der Biodiversität auf unserem (einzigen) Planeten, vergiftete und ausgelaugte Böden, auf denen nie wieder Leben entstehen wird, unfassbare und unmenschliche Szenen aus Kriegsgebieten wie Afghanistan, Menschen in verschiedenen Gebieten der Welt, die keinen Zugang zu Wasser und Nahrung, geschweige denn medizinischer Versorgung oder Impfangeboten haben – und dann wie ein „Schnitt“ in der Berichterstattung zu Fragen, wie wir es in Österreich schaffen, dass Menschen eine Gratisimpfung annehmen, um sich und andere zu schützen, die Pandemie zu beenden und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, Interviews, in denen vom „Recht“ auf Flugreisen, der „Freiheit“ günstiger individueller Mobilität und Konsum die Rede ist, vom Glück, dass der Wirtschaftsmotor wieder anläuft, gern verbunden mit dem Hinweis einiger Akteure, dass doch die Grenzen der Zumutbarkeit angesichts des Fachkräftemangels überdacht werden müssen, oder dass die Masken ein Hindernis für das Einkaufserlebnis darstellen und daher endlich abgeschafft werden sollen …
Begriffe wie surreal und absurd gingen mir dabei oft durch den Kopf – ein dauernder Spagat zwischen Ohnmacht und meinem mir eigenen Optimismus, denn ich bin überzeugt, dass wir alle sehr viel mehr sind als KonsumentInnen –, wir sind Menschen mit Stärken und Schwächen, mit Verstand und in der Lage Solidarität und Empathie zu leben, mit Potenzial zur Gestaltung unseres Lebens und unserer Gesellschaft.
Wie Helga Kromp-Kolb immer wieder sagt: für Pessimismus ist es zu spät! Ja, ich habe Hoffnung, Hoffnung für unsere Gesellschaft, Hoffnung für unseren Planeten, Hoffnung für uns Menschen. Zugegeben, die Hoffnung beschleicht mich eher selten, wenn tagesaktuelle Nachrichten auf mich wirken, aber ab und zu kommt sie auf, bei Berichten über mutige Menschen, die neue Wege gehen – in der Landwirtschaft, im Umwelt- und Klimaschutz, bei humanitären Einsätzen, im Wissenschaftsbereich und auch bei technologischen Entwicklungen. Dies kann uns auch zeigen, dass weit mehr in unserem Wirkungsbereich liegt, als wir glauben! Gerade wir, die wir in der Erwachsenenbildung tätig sind, haben uns den Auftrag gegeben, das Lernen Erwachsener zu fördern, einen Bildungsauftrag, der wichtiger denn je scheint. Was uns eint, ist, dass wir an die Macht der Bildung glauben, an Menschen und ihre Potenziale. Mit den vielfältigsten Bildungsangeboten und verschiedensten Formaten versuchen tausende Engagierte in der steirischen Erwachsenenbildung, Menschen Bildungs- und Lebenswege zu eröffnen und damit letztlich auch einen wertvollen Teil für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beizutragen. Das in uns als Menschen steckende Potenzial (wieder) zu erkennen, den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern, gestärkt und lösungsorientiert zu agieren und die Herausforderungen der Zeit anzunehmen – dazu braucht es Bildung in allen Facetten ein Leben lang und es braucht Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten und Zugänge schaffen.
Einen unglaublichen Impact auf unser Redaktionsteam im Bildungsnetzwerk und mich persönlich hatten heuer die im Sommer geführten Interviews mit Teilnehmenden an Aus- und Weiterbildungen aus der Erwachsenenbildung in verschiedenen Einrichtungen und Bereichen.
Wir starteten mit einer Serie an Interviews, die die Erwachsenenbildung in verschiedenen Facetten sichtbar machen soll und das ganz persönlich. Es ist auch ein Versuch, die Wirksamkeit von Bildungsteilhabe sichtbar zu machen und das auf der individuellen und menschlichen Ebene. Im Erwachsenenbildungsbereich beziehen wir uns gerne auf die BeLL-Studie, die vor Jahren ausgewiesen hat, welche positiven Wirkungen die Teilnahme an Bildungsangeboten für Menschen hat – weit mehr als berufliches Fortkommen, denn letztlich geht es um einen Zugewinn an Stärke, Gesundheit und Zufriedenheit und die Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben. Mit den persönlichen Einblicken, die uns die interviewten Menschen dankenswerterweise möglich machten, erwachen die weichen Fakten zum Leben – die Erwachsenenbildung erhält ein Gesicht, also viele verschiedene Gesichter. Dass wir gemeinsam mit der Woche Steiermark aus dieser Idee auch eine Kooperation zur vierteiligen Serie „Bildung als Chance!“ gestalten durften, freut uns natürlich sehr. Wir hegen die Hoffnung, dass wir auch Menschen erreichen, die noch keinen Zugang zu „Bildung nach der Schule“ gefunden haben, denn mit ihren persönlichen Geschichten machen einige unglaublich Mut und eigentlich alle neugierig.
Freude machten alle Begegnungen, die geprägt waren von unglaublichem Optimismus und einige haben noch lang anhaltend Spuren hinterlassen. Zum Beispiel strafen zwei großartige junge Frauen mit ihrem Sein all jene Lügen, die meinen: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“ – stimmt nicht! Im Austausch, der persönlichen Begegnung wird wieder so richtig bewusst, dass eben nicht allen von uns eine förderliche Sozialumgebung mit Menschen, die an einen glauben, geschenkt wurde – und umso beeindruckter ist man von dem Selbstbewusstsein, vom Mut dieser Menschen. Und auch klar vor Augen geführt wird, dass es ab und zu eine Unterstützung und fast immer eine Initialzündung braucht, um neue Wege einzuschlagen und die Türen zur Bildung und zur Erwachsenenbildung überhaupt erst zu öffnen.
Diese Initialzündung kommt immer von Menschen – das können FreundInnen oder Familienmitglieder sein, Bekannte oder ArbeitskollegInnen, oder Menschen, die in unterstützenden Strukturen tätig sind. Einige dieser unterstützenden Strukturen, getragen von der öffentlichen Hand, haben die wahrgenommenen Bildungsmöglichkeiten erst eröffnet – auch das soll und darf an dieser Stelle festgehalten werden.
Wir hatten das Glück und die Freude unglaublich spannende Persönlichkeiten kennenzulernen – vielleicht haben wir Ihre Neugierde geweckt –, die Interviews finden Sie auch im Infobereich auf unserer Onlineplattform https://erwachsenenbildung-steiermark.at/info/persoenliche-geschichten-und-erfahrungen-mit-weiterbildung/.
Neben Informationen aus und für die Erwachsenenbildung dürfen wir an dieser Stelle nochmals herzlich zum Tag der Weiterbildung 2021 unter der Themenklammer „Gesundheit – Umwelt – Bildung“ am 28. September 2021 im Steiermarkhof einladen. Martin Grassberger, Simone Schmiedtbauer und Arno Mayer werden wir auch via Livestream übertragen – der Nachmittag bleibt analog. Denn neben Expertise und Grundlagen für Wissensaufbau, -vermittlung und Bildungsarbeit in den Themen freuen wir uns auf den persönlichen Austausch! Begegnen wir einander und treten in Diskurs, setzen wir uns mit den Herausforderungen auseinander und finden wir gemeinsam Lösungen, schaffen wir Rahmenbedingungen und finden unsere Gestaltungsräume – miteinander!
Wir starten mit Hoffnung in den Herbst 2021 und freuen uns auf die Begegnung!