KBW: Barrierefreiheit in allen Ausbildungen integriert
Das Bildungsnetzwerk im Gespräch mit Ulrike Branter (Katholisches Bildungswerk):
„Wir sind sehr stolz darauf, dass wir in allen unseren Ausbildungen das Thema Barrierefreiheit als fixen Bestandteil integrieren konnten“
Mit 1.1.2016 müssen in Österreich alle öffentlich zugänglichen Gebäude barrierefrei sein. Das gilt für Geschäfte, Restaurants, Hotels, Freizeitunternehmen, Kulturbetriebe und selbstverständlich auch für Bildungsorganisationen und Bibliotheken. In der Erwachsenenbildung geht Barrierefreiheit aber selbstverständlich weit über ein ungehindertes Betreten der Bildungsräume hinaus, betrifft die Institution als Ganzes und jede Bildungsarbeit im Detail.
Wir haben im Katholischen Bildungswerk – einer steiermarkweit tätigen Bildungseinrichtung, die sich bereits seit vielen Jahren intensiv mit Barrierefreiheit beschäftigt – nachgefragt, wie das Thema Barrierefreiheit in der Praxis seine Entsprechung findet. Mit uns hat Ulrike Brantner gesprochen – unter dem Motto:
„Wir stellen Menschen und Themen in den Mittelpunkt“
Liebe Ulrike Brantner, für das Katholische Bildungswerk ist das Thema Barrierefreiheit nicht neu, es setzt sich bereits seit vielen Jahren intensiv mit den verschiedensten Aspekten der Barrierefreiheit auseinander. Ist Barrierefreiheit für euch immer noch aktuell oder schon ein „alter Hut“? Was bedeutet Barrierefreiheit heute für das Katholische Bildungswerk?
Für das Katholische Bildungswerk ist Barrierefreiheit eine Frage der Haltung, ein Qualitätskriterium und Zeichen für die Achtung und Achtsamkeit allen Menschen gegenüber. Und nein, natürlich ist Barrierefreiheit, auch und besonders wenn man sich schon sehr lange Zeit damit beschäftigt, kein alter Hut. Wer sich ernsthaft mit Inklusion und dem Abbau von Barrieren auseinandersetzt, merkt schnell, dass angestrebte Barrierefreiheit einen permanenten Prozess der Annäherung bedingt.
Das KBW beschäftigt sich ja umfassend mit Barrierefreiheit, selbstverständlich weit über das Beseitigen von baulichen Hindernissen, also dem Erreichen von „Rollstuhlgerechtigkeit“ hinaus. Was konnte denn bereits erreicht werden?
Wir sind sehr stolz darauf, dass wir in allen unseren Ausbildungen das Thema Barrierefreiheit als fixen Bestandteil integrieren konnten. Das bedeutet, dass wirklich alle unsere AbsolventInnen sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, über Grundwissen zu Barrierefreiheit verfügen und sensibel auf Bedarfe und Bedürfnisse reagieren können. Barrierefreiheit ist kein Randgruppenthema – sie betrifft wirklich alle Menschen.
Oft wird der Mangel an finanziellen Mitteln als Argument gegen barrierefreie Maßnahmen und Methoden angeführt …
Natürlich könnten auch wir durch mehr Subventionen unsere Angebote noch gezielter an die Bedürfnisse der Menschen anpassen. Trotz allem geht es auch immer wieder darum neue Wege zu beschreiten und nach alternativen Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Aufgrund mangelnder finanzieller Mittel war es uns z.B. nicht möglich die Dolmetschkosten für eine gehörlose Teilnehmende an einer 2-jährigen Ausbildung zu übernehmen.
Wir haben dann ein alternatives, kürzeres Angebot entwickelt, bei dem Gehörlose zu ModeratorInnen von treff.eltern-Gesprächsrunden ausgebildet werden. Das Angebot wird gut angenommen und bietet Gehörlosen die Möglichkeit im Bereich Elternbildung tätig zu sein. Das ändert natürlich nichts an der großen Notwendigkeit an finanziellen Förderungen.
Und welche Schwerpunkte hinsichtlich Barrierefreiheit beschäftigen das KBW aktuell besonders?
Wir beschäftigen uns mit vielen Bereichen. Aktuell ist es uns z.B. ein besonderes Anliegen, intergenerationelle Barrieren abzubauen. Besonders gut gelingt uns das in den Veranstaltungen, die im Rahmen von treff.generationen stattfinden. Bei „TIK – Technik in Kürze“ unterrichten Jugendliche alte Menschen (70+), unter dem Motto „Lernen beim Lehren“. Die Jugendlichen sind in diesem Fall nicht nur Lehrende, was alleine bereits eine neue Erfahrung ist, sondern sie lernen gleichzeitig selbst sehr viel über menschliches Miteinander. So werden Barrieren zwischen den Generationen abgebaut.
Stellt die religiöse Zugehörigkeit eine Barriere für BildungskundInnen des Katholischen Bildungswerkes dar?
Uns ist natürlich bewusst, dass die „Marke“ katholisch für nicht-religiöse Menschen oder Menschen anderer religiöser Zugehörigkeit eine mögliche Hemmschwelle darstellt. Wir sehen aber die Förderung des Dialogs, gerade auch des interreligiösen Dialogs, als eine unserer zentralen Aufgaben. Aus diesem Grund stellt das Katholische Bildungswerk immer Menschen und Themen in den Mittelpunkt. Welcher Konfession unsere Kunden und Kundinnen angehören, ist dabei zumeist völlig unwichtig.
Ein gutes Beispiel ist hier etwa unser Projekt „treff.eltern“, das in einer Kooperation mit dem Verein SOMM [Anm: Selbstorganisation von und für Migrantinnen und Musliminnen] umgesetzt wird. Ziel der Kooperation ist es, Elternbildung für MigrantInnen in ihrer Erstsprache anzubieten. Hier geht es in erster Linie um Elternbildung, um Lernen, Verstehen, um Austausch und ein förderliches und nachhaltiges Miteinander. Es werden kulturelle und sprachliche Barrieren aufgelöst, religiöse Barrieren sehe ich keine.
Was sind deiner Ansicht nach generell die größten Hürden im Hürdenabbau?
Die größten Hürden sind eindeutig immer die Barrieren im Kopf. Es ist heute immer noch so, dass „Barrierefreiheit“ von außen betrachtet als Themenkomplex von unglaublicher und unüberwindbarer Größe wahrgenommen wird. Dabei sind es oft die kleinen Dinge die Barrieren darstellen und für Menschen mit Behinderung eine Teilhabe an Bildung hemmen. Informationen und Weiterbildung können da sehr hilfreich sein.
Es ist schon richtig, dass es kleinen Bildungseinrichtungen und Vereinen nicht möglich sein wird z.B. adäquate Umbauten zu finanzieren. Zumeist scheitert die Teilnahme von Menschen mit Behinderung aber nicht am Geld oder einem fehlenden Treppenlift sondern an der Haltung und Grundeinstellung der gesamten Organisation und der Sicherheit bzw. der Unsicherheit der MitarbeiterInnen im Umgang mit Menschen mit Behinderung. Weiterbildung, Kreativität, Offenheit und viel Kommunikation sind gefragt, wenn es darum geht, in der Bildungsarbeit Menschen – und auch Menschen mit Behinderung – in den Mittelpunkt zu stellen. Es gilt aus den eingefahrenen Denk-Routinen auszubrechen und nach kreativen Lösungen und Möglichkeiten zu suchen.
Vieles ist durch interne Sensibilisierung und Weiterbildung aller MitarbeiterInnen, Aufmerksamkeit, Offenheit und Kreativität möglich. Aber ganz ehrlich: kleinen Organisationen wird es trotz aller Verordnungen dennoch finanziell nicht möglich sein, z.B. benötigte Treppenlifte einzubauen. Welche Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand sind unbedingt notwendig?
Ich wünsche mir, dass deutlich aufgezeigt wird: ohne Förderungen durch die öffentliche Hand kann eine umfassende Barrierefreiheit in vielen Bereichen kaum erreicht werden. Einerseits wären einmalige Unterstützungsleistungen notwendig, wie z.B. für bauliche Maßnahmen, die die finanziellen Ressourcen kleinerer Organisationen im Bildungsbereich bei weitem übersteigen.
Andererseits gilt es aber auch notwendige und prinzipiell permanente und individuelle Unterstützungsleistungen – z.B. für Dolmetschleistungen in Gebärdensprache – für Menschen mit Behinderung, die an allgemeinen Erwachsenenbildungsangeboten teilnehmen möchten, zu schaffen!
Vielen Dank an Ulrike Brantner für den Einblick in die Praxis!
Kontakt und Informationen zum ktuellen Bildungsprogramme des Katholischen Bildungswerkes:
Katholisches Bildungswerk, Bischofplatz 4, 8010 Graz
Ulrike Brantner | ulrike.brantner@graz-seckau.at | +43 316 8041252 | http://bildung.graz-seckau.at
Für Fragen zu Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung
können Sie sich immer gerne an uns wenden. Wir freuen uns auch über Anregungen, Tipps und Hinweise:
Bildungsnetzwerk Steiermark
Claudia Zülsdorff | claudia.zuelsdorff@eb-stmk.at | +43 316 821373 21