Basisbildung – Systementwicklung Steiermark

Ein Projekt zur Qualifizierung von MultiplikatorInnen für Basisbildung (2015-2018)

Das Bildungsnetzwerk Steiermark führte im Zeitraum von September 2015 bis Dezember 2018 mit den ProjektpartnerInnen IFA Steiermark und der Österreichischen Urania für Steiermark ein ESF-Entwicklungsprojekt in den Regionen Oberes Murtal und Liezen durch. Ziel des Projekts war, über geschulte MultiplikatorInnen einen Beitrag zur Enttabuisierung von Basisbildung und Entwicklung von zielgruppenorientierten Basisbildungsangeboten zu leisten.

Ausgangslage

Basisbildung umfasst sinnerfassendes Lesen, Schreiben, mathematische Grundkenntnisse und den sicheren Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien im Alltag. Sie ist Voraussetzung für weiterführende Ausbildungen, einen sicheren Arbeitsplatz und ein selbstbestimmtes Leben.

Laut der PIAAC-Studie (2013) verfügen 970.000 der 16- bis 65-jährigen ÖsterreicherInnen nicht über ausreichende Lesekompetenzen, um einfache Texte sinnerfassend erschließen zu können. Auf Basis der im Projekt aufbereiteten Daten (IFA Steiermark) kann von einem Bedarf von 8.100 Personen im Oberen Murtal und 8.800 Personen in der Region Liezen ausgegangen werden.

Während in städtischen Regionen der Zugang zu Basisbildungskursen in der Regel durch klassische Bewerbungsformen gelingt, stellt er in ländlichen Regionen eine Herausforderung dar: Zu groß sind Schamgefühle und Selbstzweifel über die eigenen Fähigkeiten, zu gering ist die Anonymität. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren einige regionale Basisbildungskurse trotz der hohen Zahl an Personen mit Basisbildungsbedarf nicht zustande gekommen. Die Folge ist, dass sich AnbieterInnen und Angebote vor allem im städtischen Raum konzentrieren, obwohl der Bedarf auch in den ländlichen Regionen gegeben wäre. Das bedeutet, dass besondere Strategien erforderlich sind, um Angebote zielgruppenadäquat zu gestalten und sie in annehmbarer Form „platzieren“ zu können.

Menschen mit Basisbildungsbedarf wissen meist genau, was sie lernen wollen – sie brauchen keine Belehrung, sondern erreichbare Angebote und Informationen. Dieses Ergebnis lieferte bereits eine Untersuchung im Rahmen des Kooperationsprojekts Basisbildung Oberes Murtal im Jahr 2009. Ebenso wird von Seiten der Initiative Erwachsenenbildung empfohlen, durch aufsuchende Arbeit und gezielte Ansprache des Umfeldes TeilnehmerInnen zu akquirieren.

MultiplikatorInnen als wichtige Schnittstelle

MultiplikatorInnen sind MitarbeiterInnen in Beratungs- und Sozialeinrichtungen, Verantwortliche in Betrieben, Ehrenamtliche sowie Personen in Schlüsselfunktionen von Gemeinden. Sie können unverzichtbare „Brückenmenschen“ darstellen, indem sie Menschen mit geringen Basiskompetenzen bzw. ihr soziales Umfeld motivierend ansprechen, über Basisbildungsangebote informieren und den Erstkontakt zu BildungsanbieterInnen herstellen. Da sie die Bedürfnisse der Zielgruppe(n) aus erster Hand kennen, können sie Bildungsanbietende bei der Entwicklung von passgenauen Angeboten unterstützen. Im Rahmen des Projektes wurden MultiplikatorInnen in den Projektregionen gesucht und für die MultiplikatorInnen-Tätigkeit im Feld der Basisbildung sensibilisiert und geschult.

Maßnahmen

  • Erhebung regionsspezifischer Erfahrungen und Problemeinschätzungen in Bezug auf Basisbildung (Begleitforschung)
  • Konzeption eines Anforderungsprofils und Curriculums unter Berücksichtigung regionaler Anforderungen
  • Auffindung und Qualifizierung von regionalen MultiplikatorInnen (Empowerment)
  • Auf- und Ausbau eines regionalen Netzwerks für Basisbildung
  • Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Ergebnistransfer an Bildungseinrichtungen und Politik

Projektergebnisse

Insgesamt wurden 97 MultiplikatorInnen für Basisbildung aus- bzw. weitergebildet (40 Personen im Oberen Murtal und 57 Personen in der Region Liezen). Im Curriculum der Workshopreihe wurden 7 Module definiert, welche im Sinne eines rollierenden Vorgehens aufgrund von Bedarfsmeldungen der MultiplikatorInnen ausgewählt bzw. um weitere Themenstellungen erweitert wurden. Insgesamt konnten im Projekt „Basisbildung – Systementwicklung Steiermark“ über 200 Veranstaltungsteilnahmen verzeichnet werden (Sensibilisierungs- und Vernetzungsveranstaltungen, Workshops, Fachtagungen).

Damit die angestoßenen Entwicklungen fortgesetzt werden können, sind kontinuierliche Planungs- und Netzwerkarbeit notwendig. Als grundlegendes Projektergebnis wird daher die Einrichtung von regionalen, koordinierenden Netzwerkstellen empfohlen, welche institutionsübergreifend agieren und mit dem strategischen Ausbau der regionalen Basisbildungsangebote beauftragt werden.

Folgende Entwicklungsfelder wurden darüber hinaus in den Projektregionen seitens der ProjektpartnerInnen erhoben:

  • Initiierung einer stärkeren Einbindung von Kommunalpolitik, Gemeinden und regionalen Betrieben ins regionale Basisbildungsnetzwerk
  • Entwicklung von Lösungen für die überregionale Koordination von qualifizierten TrainerInnen
  • Kooperative Entwicklung neuer Angebotsformen durch zielgruppenspezifische Pilot-Projekte, z.B. für die innerbetriebliche Weiterbildung von Geringqualifizierten
  • Erschließung neuer Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. gemeinsam mit dem AMS)

Publikationen

Als Grundlage für weiterführende strategische Maßnahmen zur MultiplikatorInnenqualifizierung wurden die Erfahrungen aus dem Projekt „Basisbildung – Systementwicklung Steiermark“ in einem Handbuch zusammengefasst:

Die ausführlichen Ergebnisse der Begleitforschung sind in folgenden Berichten von IFA Steiermark beschrieben:

Für die Sensibilisierungsarbeit und Informierung über Angebote wurde ein Folder entwickelt, welcher von Bildungsanbietenden genutzt und beim Bildungsnetzwerk Steiermark angefordert werden kann (Eindruck von aktuellen Angeboten ist möglich):

Wir bedanken uns bei allen MultiplikatorInnen, regionalen KooperationspartnerInnen und TrainerInnen, welche sich im Projekt für die Systementwicklung der steirischen Basisbildung engagiert haben!

Bildungsnetzwerk Steiermark

Mag.a Marlies Zechner