Öffentliche Bibliotheken – Entlehnstellen geistiger Nahrung oder doch mehr?
Literaturvermittlung vs. Bildungsangebote? Die Leiterin der A6 Fachabteilung Gesellschaft Alexandra Nagl zum Profil, den Leistungen, der Weiterentwicklung und dem gesellschaftlichen Mehrwert von Öffentlichen Bibliotheken in der Steiermark
Liebe Frau Nagl, zunehmend hört man von Öffentlichen Bibliotheken als außerschulische Bildungs- und Lernorte. Auch im Rahmen der Leseförderung nehmen Öffentliche Bibliotheken offensichtlich eine zentrale Rolle ein. Was bedeutet das und was hat sich am Bild sowie an den Angeboten von Öffentlichen Bibliotheken Ihrer Meinung nach verändert?
Das Profil und das Angebot von Öffentlichen Bibliotheken hat sich tatsächlich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Vor noch nicht allzu langer Zeit waren die Vorstellungen und das Image der Bibliotheken in der Bevölkerung recht traditionell und Bibliotheken wurden als reine Entlehnstellen wahrgenommen und verstanden, deren Fokus sich ausschließlich auf Literaturvermittlung richtet.
Vor einigen Jahren, als zunehmend das „Sterben“ der Öffentlichen Bibliotheken vorausgesagt wurde, haben diese sich quasi neu erfunden, indem sie ihre Türen geöffnet und ihr Portfolio erweitert haben, bis hin zur „digitalen“ Bibliothek im Rahmen von Digibib. Damit haben sie einen enormen Wandel vollzogen. Vor allem skandinavische Länder haben uns diesbezüglich vorgezeigt, welchen enormen kommunalen und gesellschaftlichen Mehrwert Öffentliche Bibliotheken haben können bzw. welchen Mehrwert diese im Stande sind zu leisten.
Natürlich sollen Bibliotheken primär ihren ursprünglichen Auftrag – den Zugang zu Literatur ermöglichen und sichern – erfüllen, aber das eine schließt ja das andere nicht aus. Aufgrund ihrer Struktur und der zentralen Einbettung innerhalb der Kommunen sowie ihres niederschwelligen Zugangs können Bibliotheken so viel mehr sein!
Zahlreiche Studien belegen, dass die Lesefreude bereits im Kleinkindalter ab dem sechsten Monat geweckt wird. Um die Freude daran ein Leben lang zu erhalten, bieten Öffentliche Bibliotheken eine Vielzahl an motivierenden und fördernden Leseangeboten für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche, was sie zu unverzichtbaren PartnerInnen in der außerschulischen Leseförderung sowie bei unseren Aktivitäten im Rahmen von Leseland Steiermark macht. Wir sind überzeugt davon, dass Kinder, die bereits von klein auf eine Bibliothek kennen und sie besuchen, sich ein Leben lang daran erinnern und auch später vermehrt die (Bildungs-)Angebote von Öffentlichen Bibliotheken nutzen werden.
Seit Sommer 2021 haben Öffentliche Bibliotheken die Möglichkeit, ihre Einrichtung und Angebote im Rahmen der Erwachsenenbildung am Weiterbildungsnavi Steiermark sichtbar zu machen. Wie kam es dazu?
Wir haben uns mit der LLL-Strategie des Landes und dem dazugehörigen Bibliotheksentwicklungsplan Steiermark einem gemeinsamen Bildungsauftrag verschrieben, der angesichts der aktuellen Herausforderungen immer mehr an Relevanz gewinnt.
Die Frage der zentralen gesellschaftlichen Rolle von Bildung – in all ihrer Vielfalt und allen Facetten beginnend mit den Kleinsten bis ins hohe Alter – müssen wir nicht mehr stellen. Es gilt Wege und Möglichkeiten zu finden, die es den Menschen, unabhängig von ihrem Status, ihrer Herkunft, Schul- oder Ausbildung ermöglichen, sich weiterzubilden, Neues kennenzulernen oder auszuprobieren und niederschwellige, aber auch leistbare Angebote in Anspruch nehmen zu können.
Ergänzend zur Literaturvermittlung und Leseförderung bieten Öffentliche Bibliotheken mit ihren Angeboten wie Vorträgen, Lesungen, Workshops, Literaturrunden etc. auch professionellen Raum zur Weiterbildung im Sinne der Erwachsenenbildung und sind eine weitere Säule in der niederschwelligen Informations- und Bildungsvermittlung. Die große Bereitschaft zur gesellschaftlichen Teilhabe wurde u.a. im Vortrag der heurigen Herbsttagung des Lesezentrums Steiermark „Von der öffentlichen zur offenen Bibliothek“ thematisiert und deren vielfältige Leistungen bzw. Möglichkeiten dargestellt. (Hinweis der Redaktion: Nachzulesen unter https://lesezentrum.at/blog/fortbildung/herbsttagung-21/)
Unsere Aufgabe ist es, diese Leistungen sichtbar zu machen, Öffentliche Bibliotheken in ihrer Aufgabe und Professionalisierung zu stärken und die Weiterentwicklung zu forcieren und zu unterstützen. Am Weiterbildungsnavi Steiermark, als Weiterentwicklung der steirischen Weiterbildungsdatenbank, sind tausende aktuelle Bildungsangebote für Erwachsene abrufbar.
Aktuell nutzen über 130 Einrichtungen der Erwachsenenbildung das Portal, um Bildungsinteressierten die vielfältigen Angebote der Erwachsenenbildung zu präsentieren – von Fachveranstaltungen über Kursangebote, berufliche und allgemeine Aus- und Weiterbildungen, Präsenz- und Online-Angebote in verschiedensten Themenbereichen der Bildungslandschaft.
Öffentliche Bibliotheken sollen in der Steiermark künftig ebenso als zentraler Bereich der steirischen Bildungslandschaft auf diesem Portal sichtbar gemacht werden und die Möglichkeit haben, sich gemeinsam mit allen anderen qualitätsgeprüften AnbieterInnen zu präsentieren.
Ich freue mich sehr darüber, dass wir als Fachabteilung Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Bildungsnetzwerk Steiermark und der steirischen Fach- und Servicestelle für Bibliothekswesen, dem Lesezentrum Steiermark, als BrückenbauerInnen fungieren und dieses Service für alle Bibliotheken und damit auch BürgerInnen ermöglichen können.
In diesem Zusammenhang fällt ein Signet für Öffentliche Bibliotheken auf. Was soll dieses bewirken?
Wir haben im aktuellen Bibliotheksentwicklungsplan des Landes Steiermark 2022 als eine der Maßnahmen definiert, dass wir für die steirischen Öffentlichen Bibliotheken einen gemeinsamen Außenauftritt durch eine eigene Marke zur Verfügung stellen, um eine größere Sichtbarkeit der Bibliotheken im Rahmen einer steiermarkweiten Image- und Sensibilisierungskampagne zum Thema Lesen zu erreichen. Dies ist mit dem Logo „Öffentliche Bibliotheken Steiermark“ und mit der Partnerschaft der Öffentlichen Bibliotheken im Rahmen von Leseland Steiermark gelungen.
Das neue Logo als gemeinsame Marke ist ein wichtiges Symbol der Zusammengehörigkeit und des Miteinanders, ein sichtbares Signal zur Bedeutung von Öffentlichen Bibliotheken, das zudem auch die Wertschätzung ihrer Arbeit widerspiegeln soll!
Frau Nagl, haben Sie einen persönlichen Zugang zu Öffentlichen Bibliotheken und was ist Ihrer Meinung nach der gesellschaftliche Mehrwert von Öffentlichen Bibliotheken?
Bibliotheken begleiten mich schon von Kindheit an. Anfangs noch bei meinen ersten Leseerfahrungen, anschließend bei meiner anhaltenden Leseleidenschaft und natürlich auch im Studium war die Bibliothek ein wichtiger Bildungsraum für mich. Besondere Erinnerungen habe ich an die Zeit, wo ich mit meinem Sohn in der Bibliothek die Wunschliteratur ausgesucht und ihm daraus vorgelesen habe. Ganz besonders in der Adventszeit denke ich sehr gerne an die zahlreichen schönen Stunden zurück, wo wir gemeinsam geschmökert, ausgeliehen und so wichtige qualitätsvolle Zeit miteinander verbracht haben. Anhand meiner positiven Erfahrungen und auch aufgrund der hilfreichen Beratungen, die ich nach wie vor erfahren darf, kann ich nur empfehlen, (wieder) einmal die örtliche Bibliothek aufzusuchen.
Der enorme (Mehr)Wert der Arbeit Öffentlicher Bibliotheken für die Gesellschaft lässt sich nicht in wenige Worte fassen, da von A-Z wirklich alles dabei ist. Von Austausch über Bildung, Kommunikation, Lesen, Medien, Treffpunkt, Vielfalt bis Zeitgemäßes, um nur einiges zu nennen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass all diese enorm wichtige und qualitativ hochwertige Arbeit für die Gesellschaft in der Steiermark zu beinahe 90% von ehrenamtlichen Personen gemacht wird. An dieser Stelle möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, um allen BibliothekarInnen und BibliotheksmitarbeiterInnen unseren tiefen Respekt und ein herzliches Dankeschön für ihren täglichen Einsatz zum Nutzen und Wohle der Gesellschaft auszusprechen!
Öffentliche Bibliotheken sind für alle da, forcieren und unterstützen als Begegnungsort das Überwinden von Grenzen im Denken, aber auch zwischen Menschen, ermöglichen ein zeitgemäßes Angebot digitaler Hör- und e-Medien, womit unter anderem auch Menschen mit Einschränkungen ein adäquates Medienangebot erhalten können, stehen daher für Inklusion und Chancengerechtigkeit, geben Raum zum Denken, Lesen, Spielen und Spaßhaben und ermöglichen offenes und einfaches Lernen im Austausch miteinander und das ein Leben lang. Wenn das nicht cool ist…
Vielen Dank Alexandra Nagl, für das Interview und den interessanten Einblick!